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Wie eine Rakete durch das Theaterall

Bühnenfreunden brodelt schon seit Wochen das Theaterblut. Nun, kurz bevor die samtigen Vorhänge wieder hochgehen und es ganz laut „Programm!“ in den Ohren schallt, kommen beim Treibstoff-Festival in Basel junge Kunstbegeisterte zusammen, um Ihre neusten Produktionen vorzuführen. In diesem Jahr sind alle Blicke auf die neuen Medien, virtuelle Welten und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft gerichtet. Szenikmag unterhielt sich vorab mit Tobias Brenk, Dramaturg der Kaserne Basel. Geduldig stellte er sich unseren neugierigen Fragen über das Festival, die beteiligten Künstler und das Theater der heutigen Zeit. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre! (Informatik-Info: Um weitere Informationen zu den Produktionen zu bekommen, genügt es auf den jeweiligen Titel zu klicken.)

 

Wie war Ihr Sommer bisher? Konnten Sie, trotz Festivalvorbereitungen, in den Urlaub fahren und die Sonne genießen?

Insbesondere unsere Künstler_innen sind natürlich im Sommer beschäftigt gewesen – aber glücklicherweise kann man hier in Basel ja im Sommer proben und dann immer am Abend Abkühlung im Rhein suchen.

Warum wurde das Treibstoff-Festival gegründet?

Die Treibstoff Theatertage wurden 2004 erstmals durchgeführt, um eine junge Theaterszene in der Region Basel zu beleben, jungen Künstler_innen unter professionellen Bedingungen die Möglichkeit zu geben ihre Arbeiten vor Publikum zu zeigen und um neuen Input in die regionale Theaterszene zu bringen – mit neuen Gruppen, jungen Künstler_innen und anderen Themen als gewohnt. So haben zum Beispiel Künstler_innen wie Thom Luz, Phil Hayes, Boris Nikitin, Corinne Maier oder Marcel Schwald im Rahmen von Treibstoff ihre ersten Arbeiten gezeigt.

Wie kamen Sie auf den Namen „Treibstoff“?

Der Titel „Treibstoff“ ist natürlich ein leicht mit Augenzwinkern gemeinter Umgang damit, wie wir junge Künstler_innen unterstützen wollen: Das Festival wurde 2004, also vor der Zeit der jetzigen Programmgruppe, gegründet – aber für mich ist der Titel „Treibstoff“ immer noch ein schönes Bild. Der Festivaltitel fragt danach, was uns als Zuschauer_innen bewegt, was die Künstler_innen antreibt, welche „Stoffe“ oder welches Material noch ungeahnte Kräfte in sich hat. Weiterhin bietet das Festival immer einen kleinen Überraschungseffekt: alle Arbeiten werden bei uns neu entwickelt und erst bei der Premiere wissen wir dann, ob es auch richtig zündet – um mal im Bild zu bleiben….

Die Programmgruppe ist eine bunte Mischung aus kulturellen Einrichtungen. War es schwierig, Partner für das Festival zu finden oder war es ein Klacks?

Alle zwei Jahre bitten wir per Ausschreibung um Einsendungen und Projektvorschläge von jungen Künstler_innen, dieses Jahr haben wir aus 170 Bewerbungen 7 Projekte ausgewählt, die uns besonders begeistern! Die Programmgruppe besteht aber nicht nur aus Einrichtungen. Dahinter stehen auch immer Persönlichkeiten und besonderes Engagement und Interesse: Wir haben zum Beispiel Barbara Engelhardt in der Programmgruppe, die neue künstlerische Leiterin im Le Maillon Strasbourg und Leiterin des Festivals fast forward, das bisher in Braunschweig war und bald in Dresden stattfinden wird. Christoph Gaiser als Vertreter der regionalen Förderung ist dabei, Anja Mayer, die Projektleiterin des Festivals, und die drei Partnerhäuser (Kaserne Basel, ROXY Birsfelden & junges theater) mit ihren Leitungspersonal, bzw. dramaturgischen Teams.

Es gibt im Sommer zahlreiche Festivals. Welchen Herausforderungen sehen Sie sich gestellt, um in der Veranstaltungsmasse aufzufallen?

Die Treibstoff Theatertage sind immer ein außergewöhnlicher Anlass zur Förderung einer jungen Theater- und Tanzszene – das Publikum weiß das sehr zu schätzen und freut sich meist sehr auf die Entdeckungen von jungen Künstler_innen und neuen Arbeiten. Natürlich gibt es auch unglaublich viele andere Veranstaltungen im Sommer – aber die Theatersaison hat ja noch gar nicht begonnen und startet erst nach unserem Festival richtig! Wer jetzt nach dem theaterlosen Sommer also wieder neue Theaterformen entdecken will, kommt bei uns voll auf seine Kosten.

Was ist Ihr Lieblingsmoment während des Festivals?

Ich freue mich sehr auf die Diskussionen nach den Vorstellungen, zum Beispiel bei unseren Stammtischgesprächen nach manchen Vorstellungen. Wenn dann ein ähnliches Thema von unterschiedlichen künstlerischen Positionen betrachtet werden kann, wie bei den beiden Bühnenproduktionen Wald und Superquadra, die sich beide mit dem Menschen und seiner Umwelt, seinem sozialen, technologischen und ökologischen Fußabdruck beschäftigen. Wald beschäftigt sich mit der Verbindung von Technologie und Natur – wenn wir an die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Pflanzen denken, können wir dann nicht auch einen Wald wie einen riesigen Computer wahrnehmen, in dem Informationen ausgetauscht werden? In der Inszenierung treffen Tech-Nerds auf Hippiephilosophie und Büchners Lenz. Hingegen zeigt Superquadra in der Kaserne Basel eine Live-Video-Performance über das Ende der Architektur. Ein Gebäude-Modell wird zu einer utopischen Stadt mit völlig absurden Verbesserungen und Gedankenmodellen. Die beiden Arbeiten stehen ergänzend im Festivalprogramm nebeneinander und ich freue mich sehr auf die Gespräche im Anschluss an die Vorstellungen der beiden Projekte.

Wenn man sich die Texte der diesjährigen Produktionen durchliest, lassen sich Schlüsselthemen wiederfinden: die Komplexität der Digitalisierung, das Zusammenleben zahlreicher Kulturen und ihrer Sprachen, Performancekunst. Auch in anderen Theater-Programmheften liegt darauf der Schwerpunkt. Ist es das Ende klassische Stücke?

Es gibt bestimmte Formate die sich diesmal mit sogenannten „neuen“ Medien beschäftigen. Future is now schickt die Zuschauer mit ihrem Smartphone durch die Stadt, lässt die reale Welt auf eine fiktionale treffen, gleichzeitig geht es den Künstler_innen von Future is now aber auch darum eine Geschichte zu erzählen. DOC beschäftigt sich hingegen in ihrer performativen Installation mit der heutigen Digitalisierung und untersucht unser Verhalten als „Digital Nerds“ in ihrem Data Observation Center und Medusa Bionic Rise lässt uns als Member in ihrer Körpersekte erlernen, wie wir mit Super- und Disabilities umgehen können: Ihr Aufruf You are born different. Shape. Transform. Fight. ist ganz ernst gemeint: Wir Zuschauer werden Mitglieder bei Medusa Bionic Rise und erlernen wie wir unsere Körper „maximal updaten“ können. Es gibt aber auch „klassische“ Formate in dem Sinne, dass sie auf einer Bühne stattfinden und Zuschauer Beobachter bleiben, zum Beispiel bei Miriam Coretta Schulte, Germo/Jansen/Knüsel, F.Wiesel oder dem Eliza Rescue Team.

Glauben Sie, dass Theater uns hilft zu verstehen oder tatsächlich, sagen wir es mal ganz platt, die Welt verändern kann?

Selbstverständlich hat das Theater erstmal die Möglichkeit meine Sicht auf die Welt zu verändern. Ich selbst wäre nicht in dem Beruf des Dramaturgen, wenn ich nicht immer wieder die Erfahrung machen dürfte, dass mich Stücke plötzlich so außergewöhnlich berühren können. Wenn man dann applaudiert, vielleicht noch gar nicht weiß, was man davon halten soll und dann nach Gesprächen an der Bar (und manchmal auch nach einigen Nächten) herausfindet: Man – dieser Theaterabend beschäftigt mich ja noch immer –  dann löst das doch viel in einem aus. Neue Perspektiven werden anscheinend aufgezeigt, die verarbeitet werden wollen. Aber auch ganz konkret kann Theater die Welt verändern: A Night Called Layla ist ganz real ein Kurs für Arabisch und beschäftigt sich mit der Idee, wie es wäre arabisch mit einer besonderen Lerntechnik zu erlernen. Da frage ich mich natürlich: Wenn jeder in unserer Region arabisch sprechen könnte und diesen Kurs besuchte, würde das unsere Welt und unseren Umgang mit der Welt verändern? Ich denke: ja!

Worauf freuen Sie sich in dieser Ausgabe besonders?

Ich freue mich sehr auf die Bildwelten in Report from the interior. Das Stück beschäftigt sich mit Dioramen, wie wir sie aus Naturkundemuseen kennen. Dioramen schaffen möglichst natürliche Bildwelten, in denen ausgestopfte Tiere und tote Landschaften uns von einer Welt woanders erzählen. Diese bewusste Inszenierung des Künstlichen und wie sich so ein Diorama im Rahmen einer Inszenierung verändert, das finde ich äußerst spannend. Das Team hat übrigens für ihre letzte Arbeit den Jurypreis beim Körber Studio Junge Regie gewonnen, ein Wettbewerb in Hamburg, der Arbeiten von Theaterstudierenden auszeichnet.

Was dürfen die Zuschauer noch erwarten? Gibt es ein Rahmenprogramm?

Ja, ein ganz großartiges neues Projekt haben wir noch im Rahmenprogramm des Festivals, das die Projekte inhaltlich und künstlerisch begleitet: Insite Treibstoff wird den Zuschauern ermöglichen mit ihren Handys Hintergrundinformationen und Videos zu den Projekten in der ganzen Stadt vorzufinden. Das App, das man über den Google Play Store und Mac App Store kostenlos downloaden kann, wird die Zuschauer durch die Stadt führen und an bestimmten Punkten kann man den Künstler_innen dann unter anderem bei ihrer Arbeit beobachten.

Wie stellen Sie sich die Zukunft des Festivals vor?

Das Festival wird jetzt vom 30. August bis 9. September stattfinden – wir sind also derzeit ganz mit der Zukunft der Künstler_innen beschäftigt, die gerade bei uns arbeiten. Danach haben die Partnerhäuser wieder zwei Jahre Zeit, eine neue Ausgabe vorzubereiten! Das Festival hat in der Vergangenheit gezeigt: die Zukunft des Theaters ist noch lange nicht fertig erzählt – sie entwickelt sich dauernd weiter, entwickelt neue Formen, Formate und Inhalte. Wir freuen uns, wenn Treibstoff auch zukünftig weiterhin einen Beitrag dazu leisten darf, dass junge Künstler_innen sich so entwickeln und ausprobieren können!

 

Ganz lieben Dank für all diese Antworten und nun, volle Fahrt voraus ins Festival!

 

Die neugierigen Fragen wurden, wie sollte es auch anders sein, von jenny gestellt. 

 

Das Festival findet vom 30.08-9.09.2017 statt. Hier gibt es alle Informationen zum Programm und den Tickets.

 

Die Homepage des Festivals 

http://www.treibstoffbasel.ch

 

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